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3 Länder in 3 Tagen - Länderzählerei kotzt mich an!

Wer sich in den Sozialen Netzwerken, vor allem auf Instagram umsieht, stellt häufig fest: Manchmal geht es gar nicht mehr um die Erlebnisse, oder darum, Land und Leute kennen zu lernen, sondern möglichst viele Länder bereist zu haben. "Visited: 36 Countries" steht dann in den Profilbeschreibungen. Ein Trend, der mich stört! Reisen sollte Entdeckungen und Erleben sein - nicht Länderzählerei sein! Ein Kommentar.

(C) Pixabay
(C) Pixabay

Reisen bedeutet für jeden etwas anderes.  Vor allem Städtetrips könnten nicht unterschiedlicher sein. Der eine will bei seinen Reisen die hippsten Cafés sehen, in den angesagtesten Modegeschäften shoppen, sich vor den bekannten Wahrzeichen ablichten lassen oder die großen Kunstmuseen besuchen. Je größer die Stadt, desto unterschiedlicher die Freizeitangebote, desto verschiedener die Städtetrips. Und das ist auch prinzipiell gut so! Doch es gibt etwas, das mich nicht nur nervt, sondern wirklich, entschuldigt die Wortwahl, ankotzt! Und das ist der aktuelle Trend, vor allem in den Sozialen Netzwerken, der "Länderzählerei".  

 

Zugegeben, manchmal werde ich ganz schön neidisch, wenn ich auf Instagram in den Profilen Beschreibungen lese wie "40 von 194 Ländern bereist", "50 Länder bevor ich 30 wurde" oder "Visited: 81 Countries, next: South Africa". Denn im Endeffekt ist es das, was ich auch möchte: So viel wie möglich von der wunderschönen Welt, auf der wir leben, sehen! Allerdings ohne Zeitdruck. Ich habe keine Anzahl an Ländern, die ich vor meinem 30. Geburtstag knacken möchte. Ich möchte die Länder, die ich bereise, tiefgründig kennen lernen. Mit Einheimischen im Pub Geschichten austauschen, neben den Sehenswürdigkeiten auch abseits der Touri-Wege wandern und die Landschaft unter die Lupe nehmen. Doch es gibt einen Trend, der hilft, so viele Länder wie möglich zu "sammeln" bzw. "abzuhaken". Einen Trend, den ich auch in meinem persönlichen Umfeld schon ausmachen konnte. Und der heißt: Wer die Hauptstadt gesehen hat, war im Land. Egal wie lange, Haken hinter das Land. Eine Zahl mehr im Profil. Und das geht ganz einfach. Dank günstigen Fluglinien, oder europaweiten Busverbindungen in die wichtigsten Städte. Versteht mich nicht falsch, auch ich möchte gern so viele Länder wie möglich kennen lernen und auch unzählige Hauptstädte bzw. große Städte, vor allem in Europa, stehen auf meiner Liste. Aber habe ich wirklich Irland kennen gelernt, wenn ich in Dublin war? Kann ich in Rom wirklich la dolce vita begreifen? Und ist nicht Finnland so viel mehr als Helsinki? Und habe ich, selbst wenn ich die Stadt besucht habe, wirklich in zwei Tagen alles aufnehmen können?  

 

Ich reise, um etwas zu erleben. Nicht, um Länder abzuhaken. Nicht, um meine Bucket-List abzuarbeiten. Nicht, um noch mehr Länder auf der Rubbelkarte freizurubbeln. Kann ich in 24 Stunden in einer Hauptstadt wirklich etwas erleben? Oder arbeitet man letztendlich nur die Sehenswürdigkeiten ab. Was, wenn man folgendes chinesisches Sprichwort darauf anwendet, nicht schlimm ist:  "Es ist besser, etwas einmal selbst zu sehen, als es hundertmal erzählt zu bekommen." Doch häufig geht es, so ist zumindest mein persönliches Empfinden, viel mehr darum, möglichst viele Länder zu sehen und eben zu zählen - nicht für sich, sondern für andere. Oder schlimmer: Für den perfekten Instagrampost. Um zu beweisen, dass man viel herum kommt. Um zu zeigen, wie weltgewandt man ist. Zu zeigen, was für ein toller "Traveller" in einem steckt. Doch es ist okay, auch einfach mal Urlaub zu machen, zu entspannen, der Erholung halber in eine vertraute Umgebung, ein Lieblingsland, zu reisen oder nur die Hälfte der "Must Sees" anzuschauen. "Das Leben ist kurz und die Welt ist weit." Aber das Leben ist nicht schlechter, wenn ich nicht in jedem Land gewesen bin. Ich will nicht Länder zählen. Ich möchte gerne die Welt sehen. Aber in meinem Tempo, ohne Zahlendruck und Social Media Geplärre. Mir hat mal jemand gesagt, ich sei kein "richtiger Backpacker", weil ich noch nie in Australien war und auch "kein richtiger Reiseblogger", weil ich "nur" in Europa gereist bin und nicht so viele Länder gesehen habe. Aber ist nicht ein Backpacker jener, der mit einem Rucksack reist? Und ein Reiseblogger, wer reist und das auf seinem Blog festhält? Und was heißt eigentlich "nur Europa"? Hier gibt es so viel zu erleben und so einfach! Aber das ist ein anderes Thema, zu dem ich mich bereits geäußert habe. Ihr könnt es hier im Plädoyer für Europa  nachlesen

 

Um mit meinem Kommentar abzuschließen: Ich will keine Länder zählen, sondern die Länder bereisen, die mich interessieren. Ich muss nicht in jedem Land gewesen sein, um ein Abenteuer zu erleben. Auch ich möchte möglichst viel von der Welt entdecken - und natürlich zählen da auch die Hauptstädte zu, bei denen sich ein Kurztrip eignet. Jeder soll reisen, so viel er will und wie er will. Aber ich möchte das ohne Zeitdruck tun, mich nicht rechtfertigen. 

Im Netz gibt es viele Möglichkeiten, sich online darstellen zu lassen, wie viel Prozent der Welt man schon bereist hat. In meinem Fall sind das aktuell 15 Länder in Europa. Damit habe ich 31,25% in Europa bereist und 7,41% weltweit. (Karte: www.traveltip.org)

Was sagt ihr zum "Länderzählen"?

Hinterlasst mir eure Meinung gerne in den Kommentaren! 

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Kommentare: 2
  • #1

    ChristinaB (Donnerstag, 07 November 2019 15:59)

    Hallo Tina,
    Ich verstehe schon deinen Unmut und dein Unverständnis, sehe das aber ein bisschen anders. Klar, nur irgendwo hin zu reisen um sagen zu können „ich war da“, mutet komisch an und ich denke, das machen auch nur die wenigsten. Leider haben viele Menschen aber nicht endlos Urlaub und so ist doch auch mal ein Kurztrip ganz nett um einen Einblick in ein Land zu bekommen. Ich habe das selbst schon oft gemacht und eigentlich immer genossen - nicht mit dem Anspruch, nun das ganze Land zu kennen, aber eben ein bisschen etwas davon gesehen zu haben und dann gerne auch mal wieder zu kommen. Und mit diesem Hintergrund ist es doch okay, auch mal seine Bucket list abzugrasen, oder?

    Ganz liebe Grüße,
    Christina von www.reiseweise.net

  • #2

    Ilona von wandernd.de (Donnerstag, 07 November 2019 16:23)

    Mir geht es da sehr ähnlich wie Dir. Ich muss auch sagen: Es ist unglaublich, wie viele Länder mich eigentlich nicht interessieren. Schon alleine deshalb tauge ich nicht zum Ländersammler. Australien, Neuseeland, SOA, USA, Südamerika... ach, eigentlich muss ich die nicht unbedingt sehen.

    Dieses schnelle Abhaken stößt mir manchmal auch etwas sauer auf, v.a. wenn es dann auch mit der entsprechenden Oberflächlichkeit einhergeht. Italien abhaken, weil man in Rom war, aber eigentlich nicht wirklich was dort gesehen oder gelernt hat? Na, herzlichen Glückwunsch!
    Ein paar Länder habe ich natürlich auch "abgehakt", auch wenn ich logischerweise nicht alles gesehen habe (wer hat das schon?). Andere bereise ich immer wieder und immer wieder und es gibt immer neues.

    Also ja, ich kann deine Einstellung schon nachvollziehen. Und gerade in punkto "Sanfter Tourismus" und "Nachhaltigkeit" mag ich HopOn-HopOff-Tourismus halt überhaupt nicht...

    LG, Ilona von wandernd.de