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Hör mir auf mit Ost und West: Endlich Frieden schließen!

Man hört es immer wieder: „Wessi“ oder „Ossi“? Warum können wir nicht einfach „Deutsch“ sein? Für mein Journalismus-Studium zog ich vor vier Jahren von Bergisch Gladbach nach Magdeburg. Obwohl die Mauer zu dieser Zeit schon längst gefallen war, ließ meine persönliche Ost-West-Krise nicht lange auf sich warten. Inzwischen könnte sich diese Diskussion doch langsam beruhigt haben – oder nicht?

„Wir schicken dir Bananen rüber!“ Ein einfacher Satz, witzig gemeint, der eigentlich gar nicht so witzig ist. Köln im Sommer 2015. Ich habe gerade erzählt, dass ich für mein Studium in „den Osten“ nach Magdeburg ziehe. Den Bananenwitz höre ich zu dieser Zeit öfter. Anfangs habe ich ihn nicht einmal verstanden – ich wusste nicht, dass es in der DDR kaum Bananen gab. Denn 2015 war ich 21 Jahre alt. Nennt mich naiv, aber ich habe nicht unterschieden zwischen „dem Osten“ und „uns im Westen“.

 

Mittlerweile wohne ich seit vier Jahren in Magdeburg. Die Ost-West-Diskussion ist dabei mein ständiger Begleiter geworden, auch wenn der Bananen-Witz abgeflacht ist. Ohne Magdeburg-Vorurteile oder Anti-Ost-Haltung (mein Opa kommt aus Leipzig), bin ich ganz offen hier angekommen. Schon in meiner ersten Woche wurde ich von einem ca. 50-jährigen Passanten nach einer kurzen Flüchtlingsdiskussion als „Scheiß-Wessi“ beschimpft. Und auf einmal war es da, das Gefühl, auf gar keinen Fall mit „dem Osten“ identifiziert werden zu wollen. Auf die Frage „Wo wohnst du?“ antworte ich bis heute „in Magdeburg, aber ich komme aus Köln.“. Vor allem im Ausland versuche ich bloß nicht zu erwähnen, dass ich in „former Eastern Germany“ wohne. Zu Hause dagegen verteidige ich Magdeburg und „den Osten“ hartnäckig, wenn mir dann doch noch einer mit einem blöden Spruch kommt. Sobald ich wieder „im Westen“ bin, will ich aufräumen mit den Vorurteilen und meine Wahlheimat positiv darstellen.

 

Bis zu meinem 21. Lebensjahr habe ich mich als Deutsche gefühlt. Und jetzt? Jetzt stecke ich in einer ständigen Ost-West-Krise. Und zwar nicht nur gegenüber denjenigen, die noch im geteilten Deutschland aufgewachsen sind, sondern auch Gleichaltrigen gegenüber. Warum? Weil sie die Vorurteile der Eltern und Großeltern übernommen haben? Mal abgesehen von den Lohnunterschieden zwischen Ost und West. Solange wir Vorurteile und Klischees nach wie vor an die jüngeren Generationen weitergeben – und zwar auf beiden Seiten – kann Deutschland mit sich selbst keinen Frieden schließen. Vielleicht sollten alle nach dem Abitur erst einmal ihr eigenes Land entdecken, ehe es per Interrail-Ticket durch Europa geht.

Dieser Artikel ist zu erst erschienen in "treffpunkt campus", Nummer 102, Ausgabe 02/2019, dem Magazin der Hochschule Magdeburg-Stendal. 

Hier könnt ihr das Hochschulmagazin online nachlesen. 

Dort findet ihr neben diesem Artikel viele weitere spannende Themen wie die neue Trendsportart "Plogging", einem Erlebnisbericht zum Auslandspraktikum in Peru oder ein Interview mit einer Deutsch-Türkin über Vorurteile zu Menschen mit Migrationshintergrund und zu ihrer Geschichte. 

Titelgeschichte: Wohngemeinschaft oder Ein-Raum-Bude, Altbau oder Platte - sechs Studierende der Hochschule geben Einblick in ihre Wohnung und erzählen, warum sie gerne in Magdeburg wohnen. Auch ich zeige euch meine Wohnung! (Ich bin auch auf dem Cover - wer hat mich erkannt? ;-) )

Wie seht ihr das? Teilt mir eure Meinung gerne in den Kommentaren mit!

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