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Sofia: Multi-Kulti mit Ost-Charm

Im September 2018 habe ich meine bulgarische Kommilitonin Gaby für ein paar Tage in ihrem Heimatland Bulgarien besucht. Da durfte natürlich ein Ausflug in die Hauptstadt Sofia nicht fehlen. Eine Reportage über eine europäische Hauptstadt mit viel Multi-Kulti und jeder Menge Ost-Charm.

Unser Ausflug nach Sofia beginnt Montagmorgens um 5 Uhr, um 7 Uhr wollen wir den Bus erwischen. Gaby und ich haben noch eine lange Anreise vor uns, denn sie wohnt (je nach Route) 100 bis 150km von der bulgarischen Hauptstadt im ländlicheren Montana. Fast drei Stunden lang fahren wir mit dem Bus durch holprige Straßen, durch die ziemlich grünen Berge der Sonne entgegen. Gaby schläft, auch ich bin eigentlich total müde. Es ist das Ende meiner Bulgarienreise, vier Tage Kulturschock liegen schon hinter mir. Aber diese Geschichte erzähle ich euch ein anderes Mal. Es ist ein alter, enger Reisebus, ohne Toilette. In Deutschland würde so einer gar nicht mehr eingesetzt. Doch das Rütteln und Schaukeln des Bus hält mich genauso wach wie der tolle Sonnenaufgang und der Blick auf die schöne Landschaft! Um 10 Uhr erreichen wir endlich unser Ziel, eine Stunde später als geplant. Uns bleiben noch sechs Stunden, bis ich zum Flughafen und Gaby zurück zum Bus muss. 

 

Sofia empfängt mich typisch großstädtisch-europäisch: Neben dem mir unverständlichen Bulgarisch höre ich nach vier Tagen allein unter Bulgaren (diese Geschichte erzähle ich ein anderes Mal, wirklich!) endlich wieder vertraute Sprachfetzen aus Englisch, Spanisch, Französisch und wie sollte es anders sein, auch Deutsch. Wir haben ein straffes Programm und nicht viel Zeit. Nach einem kurzen hastigen Frühstück laufen wir auch schon los. Erster Stop, die Universität von Sofia. Benannt ist sie nach dem Gelehrten und Heiligen Kliment von Ohrid, dessen Kopf die Fassade ziert. Während ich mich frage, wieso sie sich vor drei Jahren eigentlich gegen ein Studium hier und für das Studium in Magdeburg entschieden hat, geht es schon Richtung Parlamentsgebäude. Eine überfahrene Straßenkatze liegt auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Gaby schimpft über die Politik, während ich versuche auf der Kreuzung ein Foto von der dahinterliegenden Kathedrale zu schießen. Mächtig und majestätisch ragt die goldene Kuppel zwischen den Häusern hervor.

Die Alexander-Newski-Kathedrale ist eines der bekanntesten Wahrzeichen von Sofia und bulgarisch-orthodox. Erst trau ich mich gar nicht richtig heran - vier riesige große Straßenhunde belagern den Platz um die Kathedrale auf der Suche nach Essen. Doch Gaby winkt ab, weiß, dass die Hunde nichts tun. Von außen ist die Kathedrale schon so beeindruckend, aber die Wandmalereien und das ganze Gold im Inneren lassen mich sprachlos staunen. Ich zücke mein Handy und werde im strengen Tonfall auf Bulgarisch ermahnt. Hilflos zucke ich mit den Schultern, antworte auf Englisch, doch das kann mein Gegenüber nicht. Nach einigen Wortwechsel mit Gaby zeigt er auf ein Fotoschild. Fotos nur mit Fotolizenz. Also wie im Magdeburger Dom, denke ich, und zücke mein Portmonee. Aber nicht mit Gaby! Was auch immer sie ihm an den Kopf schmeißt, wir zahlen nicht, machen unsere Bilder, stellen zwei Kerzen auf und gehen. Und in diesem Eiltempo geht es zack! zack! von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten. Im strahlenden Sonnenschein lasse ich die Eindrücke auf mich wirken.

Gaby will mir so viel wie möglich von der Hauptstadt ihres Heimatlandes zeigen und so klappern wir zu Fuß eine Sehenswürdigkeit nach der anderen ab: Ein kurzer Stopp bei der St. Georgskirche (Sweti Georgi Rotunga), die im Innenhof des Präsidentenpalastes hinter dem luxuriösen Sheraton Hotel liegt, vorbei am Justizpalast und der Staute der Heiligen Sofia, die als Beschützerin des Landes gilt und die Größe und Schönheit von Sofia verkörpern soll. Etwas länger verweilen wir in der russischen Kirche Sweti Nikolaj. Kirchen faszinieren mich schon immer, ich bin mit dem katholischen Glauben aufgewachsen und stelle in jeder Kirche, die ich besuche, eine Kerze für meine Familie auf und lasse die Ruhe auf mich wirken. Auf dem Weg entdecken wir alte Ausgrabungen und viele Brunnen. Den wohl schönsten Brunnen hat der Stadtgarten. Nachdem wir einmal das Nationaltheater umrundet und zur "Liebesbrücke" gelaufen sind, verweilen wir im Stadtgarten. Genießen die Sonne, beobachten die Menschen und schießen wie verrückt Erinnerungsfotos. Hier im Stadtgarten gefällt es mir!

Unsere Magen knurren, es ist Mittagszeit. Noch zwei Stunden, bis ich zum Flughafen muss. Zeit, für Gabys Lieblingsort in der Stadt: Dem Vitosha Boulevard. Der Vitosha Boulevard ist DIE Flaniermeile Sofias. Rechts und links der breiten Straße reihen sich Boutiquen, Geschäfte und Touristenläden aneinander. Davor drängen dicht an dicht unzählige Cafés, Bistros und Restaurants. Es herrscht internationales Stimmengewirr, lautes Lachen und das Klackern von hohen Schuhe. Vor allem die Mädchen und Frauen haben sich hier heraus geputzt - ein Bild, das wie ich finde typisch für Bulgarien ist. Neben den perfekt geschminkten und gestylten Teenagern fühle ich mich häufig wie eine Zehnjährige. So wie die Frauen hier im Alltag herumlaufen, so sehe ich nicht mal aus, wenn ich in Deutschland feiern gehe. Trotz allem wirkt die Flaniermeile nicht so städtisch-grau, wie man es sonst so häufig hat.

Der Boulevard ist an beiden Seiten von vielen leuchtend-grünen Bäumen gesäumt. Am Ende des Boulevards ragen majestätisch die Berge aus dem Hinterland hervor.  Begeistert von dem kulinarischen Angebot, kann ich mich zunächst gar nicht entscheiden, doch dann setzen wir uns in den Außenbereich. Wieder staune ich darüber, wie günstig es für uns Deutsche ist, in Bulgarien zu essen. Der Wechselkurs ist gut. Für 14 Leva, das sind etwa sieben Euro, bekommen wir zwei hausgemachte Limonaden und zwei große Pizzen. Ich schaffe meine nicht ganz - eine Seltenheit! Nach dem Essen werde ich müde. Wir sind früh aufgestanden, viel gelaufen, haben viel gesehen und ich schleppe acht Kilo Handgepäck inklusive Kamera und Wasser auf meinem Rücken. Gaby fragt mich, wie mir Sofia gefallen hat und was ich nicht so schön finde. Gute Frage, denn ich bin trotz all der großstädtisch europäisch anmutenden Sehenswürdigkeiten unsicher. Zeit, für ein Fazit zum Abschluss. 

Etwas, dass mir schon an den vorherigen Tagen in ihrer Heimatstadt Montana aufgefallen ist, stört mich. Zum einen ist es die sehr kastenlastige Architektur, die mich häufig schon in Magdeburg stört. Dieser typische "Ostblock" nervt mich irgendwie. In Bulgarien noch ein bisschen mehr als in Magdeburg, die vielen ungleichen Balkone und viel Wellblech sorgen oft für ein unsauberes, verfallenes Äußeres. Graue Platten und abblätternde Farbe macht es nicht besser. Alles wirkt irgendwie schmutzig und das nicht nur unbedingt durch Müll hier und dort. Es ist vielmehr die Unbekümmertheit und nicht so akkurate Arbeit der Bulgaren: Gras und Unkraut wächst an den Bordsteinen und vielen Wegen viel auffälliger hindurch, als bei uns. Aber richtig schlimm finde ich es nicht. Durch das viele Grün, sei es gewollt wie in der Innenstadt, oder eben nicht - alles wirkt irgendwie viel natürlicher, als bei uns. Dass die Farbe abblättert, stört hier niemanden - genauso wenig, wie die Tatsache, dass jeder der baufällig anmutenden Balkone in einer anderen Farbe gestrichen ist. Es ist, als wäre ich in der Zeit zurück versetzt, die Zeit ein bisschen stehen geblieben. Auf der Straße fahren die alten ausrangierten Automodelle aus Deutschland. Farben, die man bei uns gar nicht mehr findet, plüschige-staubige Sitze. Zwischen den alten Bauten und den altmodisch-anmutenden Fahrzeugen sehe ich aber auch ein anderes Sofia: Große und moderne Shoppingmalls, die Einkaufsmeile mit den ganzen Gastronomien und großstädtischen Foto-Spots, wie dem Sofia-Schriftzug vor dem Nationaltheater. Ich kann und will mich nicht so richtig festlegen. Ich bin noch nicht so begeistert, wie ich es sonst bin, allerdings bin ich auch müde von unserem Ausflug. Sechs Stunden und so viel Programm sind irgendwo zu viel und reichen aber doch nicht, um Sofia kennen zu lernen. Um mir ein vernünftiges Bild zu machen, muss ich noch einmal mit etwas mehr Zeit zurückkommen. Spätestens, wenn Gaby ihr Studium in Magdeburg beendet hat und wieder nach Sofia zieht. Für mich jedenfalls ist Sofia Multi-Kulti mit jeder Menge Ost-Charm.

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